Interview mit Ruth Williams, Generalsekretärin Verband für gemeinnütziges Stiften
Welche Projekte oder Organisationen haben das Potential von Stiftungen unterstützt zu werden?
Ich bekomme sehr viele Anrufe und Emails von Gründer*innen von gemeinnützigen Projekten oder Programmen oder von Sozialunternehmer*innen, die mir genau diese Frage stellen.
Gemeinnützig aktive Stiftungen sind an Partnerschaften interessiert. Sie wollen Expertise und Ressourcen bündeln und so ihrem Stiftungszweck nachkommen. Manche Stiftungen sind selbst operativ tätig, andere unterstützen mit Zeit, Ideen oder auch durch Finanzierung NGOs in ihrer Arbeit. Wichtig ist immer, dass die gemeinsamen Ziele und Werte übereinstimmen und es Gestaltungs-Spielraum gibt. Eine Stiftung kann nur in dem Bereich aktiv werden, der auch in ihren Statuten verankert ist. Die Statuten oder die Gründungserklärung sind sozusagen das Herzstück der Organisationsform Stiftung.
Auch in deinem Workshop hast du erzählt, dass du immer wieder Anrufe von Personen bekommst, die sich Geld von Stiftungen wünschen und dass du da nicht unmittelbar weiterhelfen kannst. Was sind bessere Wege dazu?
Als Verband für gemeinnütziges Stiften sind wir die Interessensvertretung gemeinnützig aktiver Stiftungen in Österreich. Es gehört nicht zu unserer Kernaufgabe „Suchende“ und „Gebende“ miteinander zu verbinden, wenn mir auch klar ist, wie hoch der Bedarf hier ist. Oftmals habe ich das Gefühl, dass Stiftungen als reine Geldgeber wahrgenommen werden. Das ist sehr schade, weil es einfach nicht der Realität entspricht. Hier versuchen wir – unter anderem durch unser Workshop Angebot – Bewusstseinsbildung zu betreiben. Menschen oder Organisationen, die eine Stiftung gründen, haben eine klare Herzensangelegenheit und wollen mit ihrem Tun eine positive Auswirkung auf unsere Gesellschaft haben. Sie haben sehr klare Strategien und Ansätze für ihr Wirken und suchen dafür teilweise auch Umsetzungspartner*innen. Diese Partnerschaften brauchen Zeit und Raum, um zu wachsen und auf jeden Fall auch eine gute und offene Gesprächsbasis.
Wenn man auf der Suche nach Finanzierungs-Partner*innen für eine gute Idee ist und sich allgemein mit dem Thema Fundraising beschäftig, sollte man sich eingehend fragen: wie viel Mittel brauche ich tatsächlich und welche Quellen könnten hier für mich zielführend sein? Einzelspenden, Kleinspenden, Kooperationen mit Unternehmen, gibt es Förderungen der öffentlichen Hand oder könnten Stiftungen passende Partner für uns sein und warum denken wir das? Es braucht im Vorfeld die Reflexion nach innen, ein gutes Konzept und ein konkretes Angebot, das man Partner*innen vorstellen will, inklusive einer Idee für die Partizipation. Erst dann kann man in die Recherche-Phase und folglich in die Ansprache gehen.
Bei einer Bankfinanzierung muss ich das Geld mit Zinsen zurückzahlen, Business Angels wollen Anteile; was erwarten sich Stiftungen?
Gemeinnützig aktive Stiftungen können als gemeinnützige Privatstiftungen oder gemeinnützige Bundesstiftungen oder Fonds organisiert sein. Diese unterliegen leicht unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Was sie aber eint ist die Tatsache, dass sie im Rahmen des österreichischen Gemeinnützigkeitsbegriffes agieren müssen.
Das heißt beispielsweise, dass die Weitergabe von (Geld-)Mitteln an andere Organisationen nur erlaubt ist, wenn es sich beim/bei der Empfänger*in um eine spendenbegünstigte Organisation handelt und sich die Zwecke der Stiftung mit den Zwecken der Empfänger*innen (zumindest teilweise) decken.
Eine weitere Bedingung der abgabenrechtlichen Gemeinnützigkeit ist, dass die Stiftung ihre steuerbegünstigten Zwecke selbst erfüllen muss. Sie muss also selbst aktiv tätig werden und eigene Projekte umsetzen. Die Stiftung darf sich Dritter nur dann bedienen (z. B. Dienstnehmer*innen, Auftragnehmer*innen), wenn diese in einem Weisungsverhältnis zu ihr stehen. Die Finanzierung von
Einrichtungen, Projekten oder Maßnahmen anderer gemeinnütziger Körperschaften (z. B. Weitergabe von (Geld-) Mitteln, Ausloben von Förderungen) und die Vergabe von Stipendien und Preisen ist nur in wenigen Fällen und unter bestimmten Bedingungen erlaubt.
Was erwarten sich also Stiftungen, wenn sie mit anderen Akteur*innen im Ökosystem kooperieren? Anbei einige Stichworte:
- Expert*innen-Wissen in Fachbereichen (z.B. dem Bildungssystem, dem Bereich Klima- oder Umweltschutz), das vielleicht in der eigenen Organisation nicht vorhanden ist;
- einen stärkeren Hebel, durch gelebte Kooperation und
- einen daraus resultierenden größeren Impact;
- Partnerschaften auf Augenhöhe;
- Inkubation guter Ideen: Die Finanzierung von Anliegen, für die es eventuell bisher keine anderen Mittel gibt;
- skalierbare Projekte,
- die Erschließung neuer Zielgruppen.
Kannst du über Best Practice Beispiele erzählen?
Ich könnte gefühlt endlos über gute Stiftungspraxis erzählen.
Etwa über die Sinnbildungsstiftung, die 2019 auf Initiative der Sinnstifter als eine Co-Stiftung der Innovationsstiftung für Bildung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung gegründet wurde. Die Sinnstifter sind ein spendenbegünstigter Verein, welcher 2010 durch sechs österreichische Stiftungen gegründet wurde und seitdem gemeinsam soziale Projekte in Österreich unterstützt. Die gemeinsam gegründete Sinnbildungsstiftung fördert innovativen Bildungsprogramme, um Bildungsqualität und Bildungschancen nachhaltig zu verbessern. Gemeinsam mit Bildünger, der Plattform für international vernetzte Bildungsförderung, sucht und evaluiert die Sinnbildungsstiftung Initiativen, die Neues wagen und Lösungen finden. Dafür baut sie Brücken und bündelt Ressourcen aus öffentlicher und privater Hand.
Oder über Blühendes Österreich, deren Vision ist ein artenreiches, buntes Österreich ist. Blühendes Österreich -die REWE International gemeinnützige Privatstiftung – ist die erste und größte privatwirtschaftliche Initiative für Biodiversität und nachhaltige Landwirtschaft in Österreich. Die Stiftung setzt sich für den Schutz der heimischen Biodiversität ein. Gemeinsam mit Partner*innen und Landwirtschaft, Gemeinden, NGOs und der Privatwirtschaft wollen sie unser Land ein wenig bunter und artenreicher machen und „Naturerfolge“ feiern.
Aber auch die Kärntner Kulturstiftung ist ein Beispiel gelungener Stiftungsarbeit. Die Kärntner Kulturstiftung (KKS) verfolgt das Ziel, Kunst als notwendigen Teil der Gesellschaft zu positionieren, Kultur in das Leben der Menschen hineinzutragen und Kärnten als einzigartigen Kreativraum mit innovativen Zukunftsstrategien und herausragenden Talenten national und international sichtbar zu machen. Die Stiftungsvorstände Monika Kircher, Ina Maria Lerchbaumer und Adolf Rausch üben, ebenso wie die Fachjury, ihre Funktion ehrenamtlich aus. Von Beginn an waren auch die Haselsteiner Privatstiftung, die KELAG sowie das Land Kärnten mit Kulturreferent LH Peter Kaiser im Sinne einer Private Public Partnership in die Stiftungsgründung involviert.
Es gibt noch viele andere weitere Beispiele guter Stiftungsarbeit. Wer auf dem Laufenden bleiben will, dem empfehle ich unseren Newsletter zu abonnieren.
Fällt dir noch etwas zum Thema Finanzen oder Finanzierung ein?
Stiftungen, die in Österreich gemeinnützig aktiv sein wollen, arbeiten in einem engen Regelkorsett, dass noch dazu recht veraltet ist und moderne Finanzierungsideen nur schwer mit der Gemeinnützigkeit vereinbaren lässt. Das aktuelle Regierungsprogramm hat ein paar vielversprechende Überschriften und Inhalte, die den Sektor beflügeln könnten.
Die geplante Einrichtung einer Koordinations-, Beratungs- und Servicestelle für Stiftungen, gemeinnützige Vereine, soziale Unternehmen und Freiwillige wird die Arbeit dieser zukünftig erleichtern und somit positiv zur notwendigen Sektor-Entwicklung beitragen. Auch das klare Bekenntnis der Bundesregierung, gemeinnützige Aktivitäten von Stiftungen steuerlich zu begünstigen, die KESt-Befreiung für ökologische bzw. ethische Investitionen und die geplante Ausweitung der Spendenabsetzbarkeit für Vereine im Bildungsbereich, sind wichtige Schritte in Richtung eines zeitgemäßen Regelwerkes für das österreichische Stiftungswesen. Wir freuen uns über die Anerkennung der Bundesregierung für das zivilgesellschaftliche Engagement gemeinnützig aktiver Stiftungen und den wichtigen Beitrag, den diese für die soziale, ökologische, wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung in Österreich leisten. Die im Regierungsprogramm verankerten Maßnahmen sind wichtige Schritte für die Weiterentwicklung des Sektors. Im aktiven Dialog wird es möglich sein den österreichischen Gemeinnützigkeitssektor positiv weiterzuentwickeln. Durch die Pandemie sind die oben genannten Punkte noch nicht umgesetzt worden. Wir hoffen, dass es hier bald zu positiven Veränderungen kommt.
Zum Weiterlesen
Über Ruth Williams:
Ruth Williams berufliche Etappen führten sie von der Presseabteilung der Österreichniederlassung des Walt Disney Konzerns zur Kommunikationsabteilung der Caritas Österreich. Zuletzt hat sie dort die Abteilung Corporate Social Responsibility & Unternehmenskooperationen geleitet und war maßgeblich in den Aufbau der Caritas Stiftung Österreich involviert. Seit 2018 ist sie Generalsekretärin des Verbandes für gemeinnütziges Stiften. Sie ist Expertin in den Bereichen Philanthropie, CSR & ethisches Management. Darüber hinaus lehrt Ruth zu den Themen Unternehmenskooperationen und CSR an der NPO-Akademie in Wien und war in ihrer Funktion bei der Caritas viele Jahre Teil der Jury des TRIGOS, des österreichischen Nachhaltigkeitspreises.
Über den Verband für gemeinnütziges Stiften:
Der Verband für gemeinnütziges Stiften ist die politisch unabhängige Interessensvertretung von rund 120 gemeinnützig aktiven Stiftungen und Fonds in Österreich. Seit seiner Gründung im Jahr 2014 vertritt der Verband selbstständig gemeinnützige Akteur*innen in Österreich. Er versteht sich als Sprachrohr gegenüber Politik und Gesellschaft. Ziel des Verbandes ist es, seine Mitglieder zu vernetzen und sie in ihrem engagierten Handeln bestmöglich zu unterstützen
Informationen und Links Gemeinnützige Stiftungen:
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