Interview mit Margit Mayr
Quasi-Equity steht sozialen Unternehmen sowie gemeinnützigen und nichtstaatlichen Organisationen zur Verfügung. Wie definiert ihr „Social Enterprise“?
Wir orientieren uns an der Definition der Europäischen Kommission: Ein Social Enterprise ist ein wirtschaftlich tätiges Unternehmen oder ein/e unabhängige/r Unternehmer:in, dessen Hauptziel nicht die Gewinnmaximierung ist. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Erzielung positiver und messbarer gesellschaftlicher Wirkungen – sei es durch sozial wirksame Produkte oder Dienstleistungen oder durch eine Produktionsweise, die soziale Ziele verfolgt, wie faire Arbeitsbedingungen, ökologische Nachhaltigkeit oder die Integration benachteiligter Gruppen.
Die Finanzierungsform heißt Quasi Equity, ist allerdings ein Nachrangdarlehen. Wie kann man sich das vorstellen?
Quasi Equity ist eine besondere Form der Finanzierung, die Eigenschaften von Eigenkapital und Fremdkapital kombiniert.
Der Betrag ist mit Zinsen zurückzuzahlen, aber:
Er darf nicht eingefordert werden, wenn das Unternehmen dadurch in die Insolvenz geraten würde.
Im Fall einer Auflösung des Unternehmens wird es erst ganz am Ende zurückgezahlt – also nach allen anderen Schulden.
Ein großer Vorteil von Quasi Equity ist, dass keine Sicherheiten oder persönlichen Bürgschaften nötig sind und in den ersten vier Jahren nur Zinsen gezahlt werden – das eigentliche Geld (Kapital) wird erst später zurückgezahlt.
Weil Quasi Equity so aufgebaut ist, kann es von Banken wie Eigenkapital behandelt werden. Das verbessert die Kreditwürdigkeit des Unternehmens und erleichtert somit den Zugang zu weiteren Finanzierungen.
Für welche Organisationen und welche Phasen / Situationen / Anschaffungen ist Quasi Equity besonders geeignet und wem bzw. wann würdest du davon abraten?
Quasi Equity haben wir für Unternehmen entwickelt, die einen nächsten Wachstumsschritt setzen wollen. Das kann sein, dass sie in neue Märkte eintreten, Maschinen anschaffen oder eine Dienstleistung weiterentwickeln wollen. Meist wird es gemeinsam mit einem normalen Bankkredit kombiniert.
Nicht geeignet ist Quasi Equity für kurzfristige Betriebsmittelfinanzierungen oder zur Vorfinanzierung von Förderungen – es ist ein langfristiges Investitionsinstrument.
Was sind die Konditionen (Volumen, Zinsen, Rückzahlung, Spesen,….) und wie unterscheiden sich diese von klassischen Bankkrediten?
Wir finanzieren Beträge zwischen 30.000 und 500.000 Euro. In den ersten vier Jahren sind nur Zinsen zu zahlen, danach beginnt die Tilgung. Die Laufzeit beträgt bis zu zehn Jahre, der Zinssatz ist fix. Es fällt lediglich eine einmalige Bearbeitungsgebühr von 1 % an.
Inwiefern unterstützt die Europäische Investitionsbank diese Finanzierung?
Die Europäische Investitionsbank unterstützt uns mit einer teilweisen Ausfallsgarantie. Das ermöglicht uns, auch jene sozialen und grünen Organisationen zu finanzieren, die sonst keinen Zugang zu Kapital hätten.
Die meisten Sozialunternehmen, NGOs, etc. haben keinerlei Sicherheiten, haften für diese Darlehen die Gründer*innen, Vorstandmitglieder, etc.?
Nein, beim Quasi Equity sind weder Sicherheiten noch persönliche Bürgschaften erforderlich.
Wie kommt ein Sozialunternehmen, eine NGO,… zu dieser Finanzierung? Was sind die konkreten Schritte?
Schritt #1: Kontaktaufnahme – idealerweise direkt mit mir
Wir prüfen die Voraussetzungen:
- das Unternehmen sollte bereits 2-3 Jahre operativ ein
- ein Produkt oder eine Dienstleistung am Markt verkaufen
- und den break even erreicht haben (oder kurz davor stehen)
Schritt #2 : Übermittlung von Unterlagen u.a.
- Jahresabschlüsse
- Geschäftsstatus
- Planrechnung für die nächsten 3 Jahre
- Liquiditätsvorschau
- Darstellung der sozialen/ökologischen Wirkung.
Schritt#3 : wir prüfen die Unterlagen und kommen gegebenenfalls mit Fragen zurück; gemeinsam mit unseren Kolleg:innen von der Bank überlegen wir wie eine Strukturierung der Finanzierung
Schritt#4: das Quasi Equity muss von einem Investmentkomitee genehmigt werden, in dem sowohl die finanzielle Nachhaltigkeit als auch der Impact bewertet werden
Schritt #5: nach Genehmigung senden wir einen Vertragsanbot und zahlen das Geld aus
Welche zusätzliche Unterstützung bekommen Unternehmer*innen (Beratung, Vernetzung,…..)?
Wir sind gut in der Impact-Szene vernetzt und bringen unsere Partner:innen gerne mit relevanten Kontakten zusammen. Außerdem unterstützen wir sie durch Sichtbarkeit auf unseren Social-Media-Kanälen.
Zusätzlich empfehlen wir passenden Organisationen das Marc Impact Programm – ein kostenloses, maßgeschneidertes Ausbildungsprogramm für Social Entrepreneurs. Es bietet praxisnahe Inhalte, individuelle Begleitung und Zugang zu einem starken Investor:innen Netzwerk.
Welche Tipps hast du für Organisationen, die Kapital benötigen?
Frühzeitig mit dem Thema Finanzierung auseinandersetzen und nicht alles auf eine Karte setzen. Oft ist eine Kombination verschiedener Instrumente sinnvoll. Und: ruhig mit mehreren Banken sprechen und verhandeln.
Ihr arbeitet mit Organisationen über einen längeren Zeitraum zusammen. Was wünscht du dir von Organisationen?
Eine offene Kommunikation auf Augenhöhe – und dass wir frühzeitig informiert werden, wenn etwas nicht wie geplant läuft. Nur so können wir gemeinsam Lösungen finden. Ich sehe uns als langfristigen Finanzierungspartner, nicht nur als Geldgeber.
Vielen Dank für das Interview 😊
Über Margit Mayr
Margit Mayr ist seit mehreren Jahren im Bereich Social Finance tätig und begleitet mit großer Leidenschaft soziale Unternehmen auf ihrem Weg zu nachhaltigem Wachstum. Als Teil des Teams der Erste Social Finance bringt sie nicht nur finanzielle Expertise, sondern auch ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen und Chancen der Impact-Szene mit.
Weiterführende Informationen, Links, etc.:
Link zur Homepage der Erste Social Finance: https://www.erstesocialfinance.com/de/home
Link zum Social Banking der Erste Group:
Link zum oben erwähnten MARC Impact-Programm: https://marc-impactprogramme.net/
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